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«Wichtig ist, dass wir auf uns schauen»

FCB-Legende Marco Streller (36) steht in seiner ersten Saison als Sportchef. Im Interview im Trainingslager in Marbella zieht er ein erstes Fazit, spricht über das Duell mit YB, die Sternstunden in der Champions League und seine Karriere nach der Karriere.

Autor: Andy Maschek

Sie haben Ihre erste halbe Saison als Sportchef hinter sich. Wie lautet Ihr Fazit?

Es war ein gutes halbes Jahr, das alles beinhaltet hat. Wir hatten einen schwierigen Start, da ist viel Kritik auf uns und mich geprasselt, was bei der Vergangenheit des FCB logisch ist. Die Entwicklung hat uns aber alle bestärkt, die richtigen Entscheide getroffen zu haben. Wir ziehen eine sehr positive Bilanz, wissen aber, dass wir noch nichts gewonnen haben. Ein Mensch, den ich sehr schätze, hat mir kürzlich gesagt, dass er sich die Frage gestellt habe, weshalb ich mir dies nach dieser Ära antue, da man

das ja fast nicht toppen kann. Natürlich habe ich mir diese Frage auch gestellt – aber dann resultiert eine solche Kampagne in der Champions League mit zwölf Punkten... Da hat er mich angerufen und gesagt: Jetzt weiss ich, wieso du das gemacht hast. Aber man muss sehr optimistisch sein, um

einen solchen Job anzutreten, in diese Fussstapfen zu treten. Man braucht ein gutes Team, das ist die Grundvoraussetzung. Und es braucht einen gewissen Mut.

Reibungslos verlief die Vorrunde nicht, der Start war schleppend. Hatten Sie nie ein mulmiges Gefühl?

Selbstverständlich! Gottseidank hat mir die Erfahrung als Spieler geholfen. Der FCB ist in den letzten Jahren mehrmals schleppendgestartet. Ich sah Parallelen zur Zeit mit Thorsten Fink, als wir am Anfang Mühe hatten und weiter hinter YB zurücklagen als in diesem Herbst. Da hatten wir den Trainer sehr gerne, fanden seine Ideen super, aber es griff zu Beginn nicht alles richtig. Das sah ich jetzt auch wieder. Die Jungs haben unheimlich Freude mit Raphi Wicky und seinem Team und dann braucht es halt

ein Erfolgserlebnis. Damals war es der Rom-Match, jetzt das Spiel gegen Benfica. Das gab Selbstvertrauen, danach ging es aufwärts und im Spätherbst war dann die alte FCB-Maschine wieder da.

Neuer Präsident, neuer Trainer, neuer Sportchef, neue Spieler – das brauchte Mut...

Es war ein radikaler Umbruch. Wenn es aufgeht, ist es mutig, andernfalls riskant. Wir haben uns das natürlich überlegt. Dass es eine neue Führung gibt, war klar. Für uns war zudem klar, dass wir einen Trainer mitbringen. Das war nichts gegen Urs Fischer, sondern ein Entscheid für etwas Neues. Raphi

hat ideal gepasst, weil wir auch die Pipeline zum Nachwuchs auffrischen wollten. Zudem hat uns seine Idee vom Fussball sehr zugesagt.

Es war sehr mutig vom Trainer, dass er Raoul Petretta gegen Benfica erstmals in dieser Saison – den Cup gegen Wettswil und Chiasso ausgenommen – von Anfang an spielen liess. Einverstanden?

Das brauchte viel Mut, aber so ist Raphi. Als er mir sagte, dass er hinten links mit Petretta beginne, sagte ich: «Ok, das ist mutig.» Er meinte, dass Raoul gegen Chiasso sehr gut gespielt habe. Benfica ist nicht Chiasso, aber Raoul machte ein unglaubliches Spiel und ist aus dieser Mannschaft nicht mehr wegzudenken. Wir haben diese Talente beim FCB, es gibt noch mehr Petrettas, aber man muss

den Mut und die Gelegenheit haben sie einzusetzen. Etwas zu fördern heisst nicht, jemanden blind zu forcieren. Manchmal braucht ein Spieler ein halbes Jahr Ausleihe oder muss sich an den Trainingsrhythmus gewöhnen. Wir waren überzeugt, dass wir den richtigen Weg gehen, bis jetzt haben wir Recht bekommen. Aber: Unser Ziel ist, Meister zu werden und das haben wir noch

nicht erreicht. Wir arbeiten darauf hin.

Haben Sie die Sternstunden in der Champions League anders erlebt als früher als Spieler?

Ich hatte die gleichen Emotionen wie als Spieler und wenn ich die Szene des Jubels beim Spiel gegen Manchester United sehe, denke ich im Nachhinein: Was machst du da? Aber so bin ich halt! Ich spüre eine grosse Dankbarkeit gegenüber Michi Lang, der den Blickkontakt suchte und mich für eine Minute nochmals Spieler sein liess. Handkehrum bin ich bei Oberlins vergebenen Chancen in Moskau fast verzweifelt. Man ist da oben so machtlos – das ist schwierig. Es war aber eine unglaubliche Kampagne, die in die Geschichte einging.

Nun kommt Manchester City...

Wir stehen im Achtelfinal und es ist das momentan wohl schwierigste Los. Manchester City ist beeindruckend, Guardiola ein Genie. Ich habe mal gelesen, er habe keinen Plan B, aber sein Plan A ist so gut, dass er keinen braucht. Wir haben auch ein Trainerteam, das tüftelt und sich Gedanken macht. Wir freuen uns und geben nicht schon auf.

 

Ihr könnt nichts verlieren...

Dieser Meinung bin ich nicht ganz. Gegen Manchester kann man auch eine Klatsche

einfangen. Das ist mir gegen Bayern ja auch mal passiert. Aber wissen Sie was? Ich gewinne lieber einmal 1:0 und verliere einmal 0:7, als dass ich zweimal 0:3 verliere.

Durch diese Auftritte in der Königsklasse werden Ihre Spieler für andere Klubs interessant.

Das erschwert Ihren Job...

Ja, vor allem auch, weil die potenziellen Nachfolger nicht günstiger werden. Der Markt ist so stark überhitzt, dass man für ein grosses 17- oder 18-jähriges Talent eine hohe Summe bezahlen muss. Da darf man nicht vergessen: Der FCB erhält Ende Jahr wenn es gut geht zwei Millionen Franken Fernsehgelder. Wenn wir die Summen wie in England oder auch Deutschland kassieren würden, könnte ich einem Spieler sagen: Jetzt bleibst du da. Doch wenn man auf Transfergewinne und das internationale Geschäft angewiesen ist, damit man schwarze Zahlen schreiben kann, ist das nicht einfach. Es macht den Job aber auch interessant. Zudem wurde durch die gute Arbeit beim FCB in den letzten Jahren unsere Arbeit erleichtert. Wir können sagen: Schau mal, wo Salah ist. Wo Xhaka heute

spielt. Oder Rakitic. Wir sprechen von Weltklassespielern, die bei uns viel gelernt haben. Wir müssen uns aber eingestehen, dass wir eine Ausbildungsliga und ein Sprungbrett sind.

Sie haben Fabian Frei und Valentin Stocker zurückgeholt. Brauchte es viel Überzeugungsarbeit?

Nein. Es war gut, dass sie mal die Bundesliga erlebt und gesehen haben. Dass dort auch nicht alles super ist. Und dass das, was man beim FCB hat, speziell ist. Dass sie in diesem Alter zurückgekommen sind, unterstreicht den Stellenwert des FCB. Auch für uns war es im Hinblick auf die Zukunft wichtig. Was ist im Sommer mit Lang? Mit Vaclik? Mit Suchy? Wollen sie nochmals etwas anderes als den FCB erleben? Ich will in den nächsten Jahren ein Gerüst an Spielern haben, zu dem Vali und Fabi gehören. Denn ich gehe davon aus, dass sie ihre Karriere bei uns beenden werden. Andere haben das Verlangen nach einer Luftveränderung vielleicht noch. Ich weiss selber, wie es ist, wenn man den Wunsch hat, mal im Ausland zu spielen.

Sie standen als Spieler immer unter Druck. Dieser ist nun als Sportchef kaum geringer, oder?

Nein! Als Spieler kann man im wichtigsten Bereich, auf dem Spielfeld, Einfluss nehmen, das geht nicht mehr. Ich muss vorher meinen Job gut machen, aber ich muss auch meine Fehler machen. Ich habe immer gesagt, dass ich ein Team zusammenstellen will, wenn ich das mache. Ich kenne meine Stärken und meine Schwächen und muss im administrativen Bereich noch viel lernen. Aber da habe ich mit Roland Heri jemanden, mit dem ich mich super ergänze.

Haben Sie mehr Stress als früher?

Sicher, aber ich beschwere mich nicht. Früher hat man mir immer gesagt: Spiel so lange Fussball, wie du kannst, das ist am schönsten. Heute weiss ich, was gemeint war. Es ist wirklich ein schönes Leben als Fussballprofi. Aber es ist auch gefährlich. Mittlerweile wird einem so viel abgenommen, dass man nur noch Fussball spielen muss. Da verliert man etwas die Selbständigkeit. Ich empfehle jedem, der in Richtung Karriereende geht, beispielsweise im Trainingslager im Hotel statt PlayStation zu spielen – was ich auch gemacht habe – etwas für den Kopf zu tun. Aber ich weiss, wie ich selber war, es braucht Disziplin.

War der Sprung in die Karriere nach der Karriere schwierig?

Ich denke, es war gut, dass ich eineinhalb Jahre Pause hatte. Dass ich meinen Horizont erweiterte und zuerst sechs Wochen ganz weg war. Diese Zeit mit der Familie in den USA hat uns allen sehr gut getan. Danach hatte ich wieder Kraft, etwas anzupacken. Gottseidank hatte ich sehr gute Leute um mich, die mir sagten, es sei eine Phase, in der ich sehr ungeduldig sein werde, aber ich solle trotzdem versuchen, alles langsam anzugehen. Glücklicherweise hatte ich nach meiner Karriere keinen wirtschaftlichen Druck und konnte mir diese Zeit auch lassen und Erfahrungen sammeln. Und dann kam ich praktisch aus dem Nichts in eine Management-Position.

Es war ein steiler Aufstieg.

Ich bin Realist und weiss, dass ich in der Privatwirtschaft ohne die passende Ausbildung nicht im Management begonnen hätte. In unserem Beruf sind aber die Erfahrungen als Spieler sehr, sehr wichtig. Der Vorteil ist, vor allem beim Einstieg, zu wissen, wie es ist, auf der anderen Seite zu sitzen und unten auf dem Feld zu stehen. Der Umgang mit den Jungs, dem Trainerteam, ein Team anzuführen ist meine Stärke. Das war als Captain der Mannschaft nicht viel anders.

Die zweite Saisonhälfte hat es nun in sich...

Als neutraler Zuschauer freut man sich, es ist so spannend wie lange nicht mehr. Das tut dem Schweizer Fussball gut. YB hat eine sehr gute Vorrunde gespielt und verfügt über eine gute Mannschaft. Trotzdem

ändern wir nichts an unseren Zielen, das wäre lächerlich. Wir wollen Meister werden und haben sowohl da, als auch im Cup mit YB einen sehr harten Gegner. Wir freuen uns darauf!

Kann der Kopf entscheidend sein? Dass bei YB irgendwann die Angst vor dem Gewinnen auftaucht?

Das kann sein. Aber wichtig ist, dass wir auf uns schauen. Im Oktober habe ich gesagt, dass ich will, dass wir in der Winterpause aus eigener Kraft Meister werden können. Da hatten wir sieben Punkte Rückstand, jetzt sind es zwei – das ist besser als erwartet. Umso glücklicher bin ich. Zudem sind wir in der Rückrunde im Normalfall stärker als in der Vorrunde. Es wird ein sehr spannender Titelkampf.

Der FCB hatte einige Wechsel in der Winterpause...

Ich denke, dass wir in der Offensive stärker sind. Hinten haben wir mit Manuel Akanji einen sensationellen Innenverteidiger verloren, ganz klar, aber wir haben mit Eder Balanta einen sehr guten «Ersatz». Er ist für mich einer der besten Innenverteidiger, den ich je gesehen habe.

Sie bewegen sich auf einem schmalen Grat zwischen dem wirtschaftlichen und dem sportlichem Erfolg, oder?

Den Wechsel von Renato Steffen und Vali Stocker erachten wir als sehr guten Deal. Als Schweizer Klub gibt es aber irgendwann eine Summe, bei der man nicht Nein sagen kann, das war bei Akanji der Fall. Und wenn es der ausdrückliche Wunsch des Spielers ist, diesen Transfer zu machen, muss man sich das gut überlegen. Ich weiss, dass es sich auf die Leistung des Spielers auswirken kann, wenn man ihm einen solchen Transfer verwehrt. Aber wir setzen den Sport vor die Wirtschaftlichkeit, denn wir wollen unbedingt Meister werden!

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